„Jammern führt zu nichts“

„Aufbruch im Umbruch“ in der Diskussion. Zum Beispiel in Rauenberg

Die Einladung von Robert Zollitsch zum Gespräch über die zukünftigen Schwerpunkte der kirchlichen Arbeit ist nicht ins Leere gegangen. Gerade in den Pfarrgemeinderäten ist das Projekt „Aufbruch im Umbruch“ ein Thema. Dies zeigen die folgenden Eindrücke von einer Sitzung des Pfarrgemeinderates St. Peter und Paul in Rauenberg.

Beteiligung ist ausdrücklich erwünscht. Wenn Erzbischof Robert Zollitsch im vergangenen Jahr das Projekt „Aufbruch im Umbruch“ und das damit verbundene Ziel pastoraler Leitlinien für die Erzdiözese Freiburg erläuterte, dann tat er dies nie ohne die ausdrückliche Einladung, sich in dieses Projekt einzubringen. „Ich möchte einen Gesprächs- und Konsultationsprozess anstoßen“, unterstrich Zollitsch in seinem Referat bei der Herbstkonferenz der Dekane. „Es ist mir ein Anliegen, dass wir uns auf breiter Ebene in unserer Erzdiözese der Frage stellen, wie wir unsere Pastoral neu auf unsere Ziele ausrichten können.“
Kurz darauf, in seinem Hirtenbrief vom 20. Oktober 2003 bat er ausdrücklich alle Gläubigen um ihr „engagiertes Mitdenken“. Und im Vorwort zu dem Anfang des Jahres erschienenen „Methodischen Schlüssel“ zur Entwicklung pastoraler Leitlinien, der auch an alle Pfarrgemeinderatsvorsitzenden geschickt wurde, unterstrich der Erzbischof noch einmal das Ziel, möglichst viele in den Konsultationsprozess einzubeziehen. Begründung: Gemeinsam erarbeitete Leitlinien haben viel größere Chancen im Leben der Gemeinden verwirklicht zu werden.

Lob für die realistische Sichtweise des Erzbischofs

Die Einladung und Aufforderung Robert Zollitschs ging nicht ins Leere. Und es sind offensichtlich gerade die örtlichen Pfarrgemeinderäte, die sich des Themas annehmen. Zum Beispiel der Pfarrgemeinderat St. Peter und Paul in Rauenberg, im Dekanat Wiesloch. Mit knapp 3000 Katholiken eine durchschnittlich große Gemeinde und Teil der gemeinsam mit den Nachbargemeinden in Malschenberg und Rotenberg errichteten Seelsorgeeinheit Rauenberg. Pfarrer Harald-Mathias Maiba wohnt am Ort, Roswitha Schöttler, die Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, ist auch Vorsitzende des Dekanatsrates Wiesloch.
Es ist eine reguläre Sitzung mit vier Tagesordnungspunkten. Am Anfang stehen Formalitäten wie die Genehmigung des Protokolls der zurückliegenden Sitzung. Es folgt ein kurzer geistlicher Impuls. Am Ende natürlich Infor-mationen und „Verschiedenes“. Dazwischen aber der Tagesordnungspunkt „Aufbruch im Umbruch“. Schon im Einladungsschreiben wird den Mitgliedern des Pfarrgemeinderates mitgeteilt, dass dieses Thema den Schwerpunkt bilden wird. Freilich betreten die Frauen und Männer damit kein Neuland: Das Grundsatzreferat des Erzbischofs „Aufbruch im Umbruch“ haben sie zur Lektüre bereits einige Wochen vorher bekommen.
Allerdings geht es an diesem Abend nicht um die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text des Erzbischofs, wie die Vorsitzende Roswitha Schöttler gleich zu Beginn deutlich macht. Es geht um den so genannten „Methodischen Schlüssel“, den das Ordinariat entworfen hat. Das heißt: Es geht darum, welche Kriterien angewendet und welche grundsätzlichen Fragen gestellt werden müssen, um zu brauchbaren pastoralen Leitlinien und sinnvollen Schwerpunkten der kirchlichen Arbeit zu kommen.
Der Stoff ist nicht so leicht verdaulich. Auch wenn er von der Vorsitzenden mittels einer vom Ordinariat übermittelten so genannten „Power-Point-Präsentation“ mit wechselnden Computerbildern präsentiert wird. Von „Grundsätzen“, „Kategorien“ und „Faktoren“ ist die Rede. Und es fallen Begriffe wie „Kontext“, „Infrastruktur“ und „Ressourcenbedarf“. Etwa 20 Minuten dauert das Ganze. „Wie geht es uns jetzt“? fragt Roswitha Schöttler.
Nachdenkliche Gesichter und anfängliche Skepsis. „Das hört sich so nach Fabrik an“, bemerkt einer der Pfarrgemeinderäte kritisch. Ein anderer bestätigt ihn. „Das ist bestimmt von der Wirtschaft übernommen.“ Aber es bleibt nicht bei der Kritik. Grundsätzlich sind sich die Rauenberger Pfarrgemeinderäte einig, „dass es dringend notwendig ist, dass so ein Prozess stattfindet“. Zudem loben sie die „ganz realistische Sichtweise“, mit der Erzbischof Zollitsch die derzeitige Situation beschreibt.
Dieser Auffassung schließen sich andere an: „Mich beeindruckt, dass jemand, der ganz neu im Amt ist, gleich an so kritische Probleme herangeht“. „Das ist doch gut so. Wenn, dann am Beginn der Amtszeit.“ „Das zeigt uns doch, dass es fünf vor zwölf ist.“ „Das ist eine Weichenstellung für die Zukunft. Zollitsch sieht die Probleme, die auf die Gemeinden und Seelsorgeeinheiten zukommen.“ „Was mir gefällt ist, dass nichts übergestülpt wird, sondern dass es gemeinsam erarbeitet wird.“
Pfarrer Harald-Mathias Maiba resümmiert: „Wichtig ist, dass wir uns motivieren lassen. Jammern führt zu nichts. Wir dürfen nicht nur den Mangel verwalten, sondern müssen fragen, was wir wirklich leisten und tun können.“
Diesen und anderen Fragen widmen sich in der nächsten halben Stunde drei Kleingruppen. Eine Gruppe befasst sich mit den „Grundsätzen“ der kirchlichen Arbeit, wie sie im „Methodischen Schlüssel“ des Ordinariats aufgeführt sind. Dass solche biblisch orientierten Grundsätze als Ausgangspunkt und Rahmen der Pastoral wichtig sind, wird von allen Teilnehmern bejaht. Einmal mehr wird allerdings Kritik an der Sprache geäußert: „Das Wort ‚Grundsätze‘ stört mich“, meint eine Pfarrgemeinderätin. „Warum glauben wir? Was bewegt uns? Das sind doch keine Grundsätze. Das ist doch etwas anderes. Aber ich finde kein Wort.“
In der zweiten Kleingruppe geht es um den Vorschlag des Ordinariats, die pastorale Arbeit in vier „Kategorien“ aufzuteilen, die da sind: unverzichtbare Grundaufgaben, mögliche Schwerpunk-te, die in einer Gemeinde oder Seelsorgeeinheit gesetzt werden, nachrangige Aufgaben, in die möglichst keine großen Kräfte investiert werden sollen – und: Bereiche, die wegfallen können, um Freiräume für anderes zu schaffen.

Die Begriffe sind nicht immer leicht verständlich

Eine weitere Kleingruppe nimmt anhand der Vorlage des Ordinariats die in der eigenen Pfarrei bestehenden Aktivitäten in den Blick. Dabei wird deutlich, dass die Begriffe, die im „Methodischen Schlüssel“ aufgeführt sind, nicht allen auf Anhieb verständlich sind. Das gilt für den Begriff „geistliche Begleitung“ ebenso wie für den Ausdruck „niederschwelliges Angebot“ und die Rede von der „Nachhaltigkeit“. Auch was „Evangelisierung“ auf der Ebene der Pfarrgemeinde bedeuten kann, ist nicht klar. Die Diskussion zeigt: Die Sprache derjenigen, die auf übergeordneter Ebene oder an den Theologischen Fakultäten pastorale Strategien entwerfen, ist oft eine andere als die der Ehrenamtlichen.
Im Plenum werden die Ergebnisse der Gruppen zusammengetragen. Unterm Strich bewerten die Pfarrgemeinderäte den „Methodischen Schlüssel“ positiv. Sie mahnen an, dass in den zu formulierenden Leitlinien des Erzbistums sowohl die Ökumene als auch die Diakonie als zentrale Aspekte der Pastoral deutlich zum Ausdruck kommen müssten. Und sie hoffen darauf, dass der Dialog weiter geht, dass nicht einfach etwas festgezurrt wird „und dann Deckel drauf“.
Mit dem Stichwort „Wegfall“ tun sich alle schwer. Wer will sich schon anmaßen, etwas für verzichtbar zu erklären? Auf der anderen Seite wissen die Rauenberger Pfarrgemeinderäte aus eigener Erfahrung, dass es Dinge gibt, die immer weniger und immer schwieriger werden. Das örtliche Bildungswerk kommt zur Sprache, das vor 15 Jahren noch gut lief. Dann wurden die Teilnehmerzahlen kleiner und irgendwann zu klein. Fazit: Was wegfällt muss möglicherweise gar nicht benannt werden. Es kann sein, dass es von selbst stirbt. Weh tut es natürlich trotzdem.
Pfarrer Maiba macht am Ende noch einmal ein wichtiges Anliegen des Konsultationsprozesses und der künftigen pastoralen Leit-linien deutlich: „Die Menschen, die zur Gemeinde gehören, sollen erkennen können: Das sind unsere Schwerpunkte.“ Roswitha Schöttler verweist auf die veränderte Bedeutung der örtlichen Pfarrgemeinde: Nicht alle haben dort ihre kirchliche Heimat, wo sie wohnen. „Sie schauen, wo ihr Herz schlägt“, so die Vorsitzende. „Was aber auch zu einer gewissen Heimatlosigkeit führt“, lautet der Einwand. „Heute wird nicht mehr so territorial gedacht“, meint Pfarrer Maiba. „Das ist auch eine Chance, dass wir uns als Gemeinden ergänzen.“
Es ist spät geworden. In diesem Fall ist das ein gutes Zeichen. Die Gespräche waren intensiv, die Stimmung keineswegs pessimistisch und die Kritik konstruktiv. Rauenberg ist nicht überall, sondern nur ein Beispiel, eine etwas willkürliche Stichprobe. Aber vieles spricht dafür, dass die nüchterne und realistische Sichtweise, die der Erzbischof an den Tag legt, auch der Haltung vieler Frauen und Männer in den Pfarrgemeinderäten entspricht. Dieser Gleichklang ist nicht gering zu schätzen. Zumal zurzeit alles dafür spricht, dass eine für die Pfarrgemeinderäte in Rauenberg und anders-
wo entscheidende Voraussetzung auch in den nächsten Monaten gegeben ist: „Der Prozess soll öffentlich und transparent sein.“

Autor: Michael Winter

mit freundlicher Genehmigung des Konradsblatts